In einer sich rasant verändernden Arbeitswelt gewinnt das informelle Lernen zunehmend an Bedeutung. Unternehmen erkennen immer mehr, dass formale Weiterbildungsprogramme allein nicht ausreichen, um Mitarbeitende nachhaltig weiterzuentwickeln. Doch wie kann informelles Lernen gezielt gefördert werden, und welche Rolle spielen neurodidaktische Erkenntnisse dabei? Dieser Artikel beleuchtet das Oktagon-Modell des informellen Lernens und gibt praxisnahe Einblicke für HR-Manager und Personalverantwortliche.
Dreiklang-Modell des Lernens: Eine Kombination von Ansätzen
Arbeitsbezogenes Lernen lässt sich in drei Kategorien einteilen:
Formales Lernen: Strukturiert und organisiert, oft durch Schulungen oder E-Learning-Angebote.
Selbstreguliertes Lernen: Mitarbeitende setzen sich eigene Lernziele und arbeiten individuell an ihrer Weiterentwicklung.
Informelles Lernen: Unbewusst und spontan, meist am Arbeitsplatz durch praktische Erfahrungen.
Während formales und selbstreguliertes Lernen gut planbar sind, erfordert das informelle Lernen eine andere Herangehensweise. Hier setzen moderne Lernbegleitungsansätze an, um es gezielt zu fördern.
Das Oktagon-Modell des informellen Lernens
Das Oktagon-Modell beschreibt acht Dimensionen des informellen Lernens:
- Eigene Erfahrungen – Lernprozesse durch selbstständiges Lösen von Problemen.
- Stellvertretende Erfahrungen – Lernen durch Beobachtung von Kolleginnen und Kollegen.
- Direktes Feedback – Unmittelbare Rückmeldungen zu Arbeitsprozessen.
- Stellvertretendes Feedback – Lernen durch das Feedback anderer.
- Reflexion im Nachhinein – Kritische Analyse von gemachten Erfahrungen.
- Vorausschauende Reflexion – Planung möglicher Herausforderungen.
- Extrinsische Lernintention – Lernen aus externem Anreiz, z. B. Belohnungssysteme.
- Intrinsische Lernintention – Eigenmotivation zur persönlichen Weiterentwicklung.
Erweiterung um individuelle Lernpräferenzen und Lernstile
Die Berücksichtigung individueller Lernpräferenzen ist entscheidend für die effektive Förderung informellen Lernens. Modelle wie das von Kolb entwickelte Konzept des Erfahrungslernens identifizieren unterschiedliche Lernstile (Konvergierer, Divergierer, Assimilierter, Akkomodierer), die eine differenzierte Gestaltung von Lernumgebungen ermöglichen (bwpat.de).
Barrieren des informellen Lernens in hierarchischen Organisationen
In stark hierarchischen Unternehmensstrukturen können spezifische Barrieren das informelle Lernen hemmen:
Kommunikationshemmnisse: Starre Hierarchien können den freien Informationsfluss einschränken.
Fehlende Lernkultur: Eine Kultur, die Fehler stigmatisiert und Wissensaustausch nicht fördert, kann informelles Lernen unterdrücken (fhgr.ch).
Messbarkeit und Evaluation des informellen Lernens
Die Erfassung und Bewertung informellen Lernens stellt eine Herausforderung dar. Ansätze wie Lernkulturanalysen, Kompetenzportfolios und Feedback-Schleifen können helfen, informelles Lernen sichtbar zu machen (unipub.uni-graz.at).
Neurodidaktische Erkenntnisse: Was sagt die Wissenschaft?
Die moderne Neurowissenschaft zeigt, dass Lernen dann besonders effektiv ist, wenn es emotional relevant, kontextbezogen und in kleinen Einheiten erfolgt. Wichtige Prinzipien dabei sind:
Dopamin-Freisetzung: Positive Verstärkung durch Erfolgserlebnisse steigert die Motivation.
Spaced Repetition: Wiederholung in regelmäßigen Abständen fördert die langfristige Verankerung.
Kognitive Modellierung: Lernen durch Vorbilder stärkt neuronale Verknüpfungen.
Fehlerfreundlichkeit: Eine offene Lernkultur unterstützt exploratives Lernen und Innovationsfähigkeit.
Technologische Unterstützung des informellen Lernens
Moderne Technologien wie KI-gestützte Lernplattformen, Learning Analytics und Virtual/Augmented Reality können informelle Lernprozesse besser erfassen und personalisierte Empfehlungen geben (link.springer.com).
Praktische Umsetzung in Unternehmen
Um das Oktagon-Modell neurodidaktisch fundiert anzuwenden, sollten Unternehmen folgende Strategien verfolgen:
- Lernkultur etablieren: Förderung einer positiven Fehlerkultur.
- Strukturierte Reflexionsrunden einführen.
- Feedback-Mechanismen implementieren.
- Microlearning-Ansätze nutzen.
- Mentoring-Programme aufbauen.
- Lernbegleitung implementieren.
Fazit: Ein Gleichgewicht schaffen
Die erfolgreiche Förderung informellen Lernens erfordert eine ausgewogene Kombination aus formalen, selbstregulierten und informellen Lernansätzen. HR-Manager sollten informelles Lernen bewusst in die Unternehmensstrategie integrieren und durch neurodidaktische Erkenntnisse gezielt unterstützen.
Letztlich sind es die täglichen, unbewussten Lernprozesse, die Unternehmen langfristig voranbringen – der wahre Hidden Champion der Personalentwicklung.