Beziehung vs. Bekanntheit

Die Fähigkeit zu Collaborative Work ist die Voraussetzung für das Arbeiten im 21. Jahrhundert. Der Trend vom Do-it-yourself hin zum Do-it-with-others ist dabei ein zeitgemäßer Weg.

Trugbilder im Mondlicht
Das Märchen vom Vitamin B

Eigentlich ist es schon ewig bekannt, dass die richtigen Beziehungen, das Leben erleichtern. Doch gilt dies für die Jobsuche ebenso? Im Einzelfall mag dies zutreffen, eine Regel daraus abzuleiten, greift jedoch zu kurz. Ein Slogan wie: „Kontakte sind wichtiger als Wissen“ weist in die falsche Richtung, da dies das Märchen vom Vitamin B nährt und die Wissensgesellschaft ad absurdum führt. Die richtigen beruflichen Kontakte zu haben und zu pflegen, lässt sich nur verwirklichen, wenn ich auf der anderen Seite entsprechenden Nutzen stiften kann. In jedem Netzwerk gilt die Regel: Zuerst geben, dann nehmen. Übertragen auf die Wissensgesellschaft bedeutet dies, dass der Einzelne das erforderliche Wissen mitbringt und sich regelmäßig weiterbildet. Die Methode „Hire for attitude and train for skills”, welche ebenso auf eine nur personenbezogene Auswahl hindeutet, kann als Ultima Ratio gesehen werden, wenn die Fähigkeiten stimmen und die Zeit für die Wissensvermittlung bereitgestellt wird. Die Volkswagen AG geht hier mit der Fakultät 73 neue Wege und auch aus der Pflege gibt es vielversprechende Ansätze dafür. Aber in beiden Fällen dreht es sich um Ausbildung und nicht um Stellenbesetzung.

Wissensensgesellschaft
Wissensgesellschaft
Was Unternehmen heute brauchen

Unternehmen stehen heute vor der Aufgabe, schneller auf Veränderungen des Marktes reagieren zu müssen. Dies erfordert flexible Mitarbeiter auf allen Ebenen. In agilen Strukturen finden sich diese neuen Ansätze wieder, doch die bisherige Praxis beweist, dass nicht jeder Mitarbeiter*in in dieses Muster passt. So sind schnell neue Schlüsselqualifikationen für den künftigen Arbeitsmarkt ausgemacht. Da Wissen und Können jedoch für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens unabdingbar sind, stehen diese weiterhin an erster Stelle bei der Bewerberauswahl. Der Fachkräftemangel und die unbesetzten Arbeitsplätze sind ein deutlicher Beweis dafür, dass Beziehungen nicht ausreichen, diesen Mangel wettzumachen. Aber wenn der Begriff „Beziehung“ durch den Terminus „Bekanntheit“ ersetzt würde, wären wir einen sachlichen Schritt näher an einem modernen Bewerbungs-verfahren. Schon vor Jahren gab es den Vorschlag, den Arbeitgebern über anonyme E-Portfolios den Zugang auf die Kompetenzen von Arbeitnehmern zu ermöglichen. Rudimentär gibt es zwar Profile in Stellenbörsen und im Internet, aber diese sind schlicht ungeeignet, dahingehend das Können und Wissen der Person darzustellen. So sind diese Qualifikationsprofile auch beim aktiven Suchen nach potenziellen Kandidaten wenig hilfreich. Unternehmen versuchen, diese Kluft durch ein professionelles Employer Branding zu überbrücken und damit ihre Arbeitgeberattraktivität für mögliche Bewerber zu erhöhen. Doch löst dies die Probleme bei den Mangelberufen nur bedingt.

Die Jobsuche in der Wissensgesellschaft

Die Bezeichnung Wissensgesellschaft steht lt. Wikipedia in einem engen Zusammenhang mit den Begriffen Informationsgesellschaft und Netzwerkgesellschaft sowie der mit Digitalisierung, Datafizierung und dem Internet verbundenen massenhaften Nutzung Digitaler Medien. Diese genannten Termini lassen sich dem Phänomen der „Digitalen Transformation“ zuordnen und betreffen damit jeden Arbeitsplatz in Unternehmen. Arbeitsplätze verändern sich und klassische Berufe fallen der Automatisierung anheim. In der Folge entstehen neue Wissensberufe und damit neue Arbeitsplätze, wofür wiederum besser und höher qualifiziert werden muss. Auf das Streitthema, wer dafür die Kosten übernimmt und entsprechenden Zeitausgleich ermöglicht, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Stattdessen kommt hier der Begriff der Employability zum Tragen. Empirische Untersuchungen dazu haben bei den Unternehmen die Anforderungsmerkmale identifiziert. Weit vorne stehen dabei die fachlichen Kompetenzen, die Initiative und die Aktivität der Mitarbeiter sowie das Erkennen und Nutzen von Chancen. Dies setzt auch die Eigenverantwortung und das Entwickeln von Zielen voraus. Im Klartext bedeutet dies für die Jobsuche, dass die entsprechenden fachlichen Kompetenzen benötigt werden und der Jobsuchende sich diese aneignen muss. Soweit diese Lernprozesse transparent erfolgen ergeben sich daraus neue Kontakte und Chancen auf Arbeitsplätze. Gerade bei den Mangelberufen haben die Rekruter ein Augenmerk auf entsprechende Lerngruppen und nutzen diese für die berufliche Ansprache. Wissensgesellschaft bedeutet auch Netzwerkgesellschaft. Wir reden von Wissen und nicht von Geheimwissen. Ergo sollte es ein natürlicher Reflex sein, dieses Wissen mit anderen zu teilen und dadurch für andere sichtbar zu werden. Die Fähigkeit zu Collaborative Work ist die Voraussetzung für das Arbeiten im 21. Jahrhundert. Ob der Austausch im direkten Kontakt auf Veranstaltungen erfolgt oder über das Medium Internet, beides führt dazu, Eindruck zu hinterlassen.

Personalauswahl
Personalauswahl
Impression Management

Selbstpräsentation ist ein weitverbreitetes Phänomen in der Personalauswahl und wird oftmals als Manipulationsversuch gesehen und als solcher zu enttarnen versucht. Instrumente wie hochstrukturiertes Interview und Aufmerksamkeit der Interviewer sollen hier dem Missbrauch einen Riegel vorschieben. Andersrum ist Impression Management, also Aufmerksamkeit auf vorhandene Fähigkeiten und Kenntnisse zu lenken, per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil, jeder Bewerbungsprozess erfordert es, die eigenen Vorteile in den Fokus zu stellen. Was bei der Bewerberauswahl jedoch als kritischer Moment gesehen wird, erfährt in anderen Umgebungen mehr Normalität. In Lerngruppen, in Foren oder in einer Arbeitsumgebung lassen sich solche Fassaden nicht lange aufrechterhalten und die weiteren Teilnehmer erkennen sehr schnell, welche Potenziale abrufbar sind. Daher ist jede Form der persönlichen Kontakte einer künstlichen Umgebung vorzuziehen, dies gilt auch für das Assessment Center. Die Bestätigung dafür findet sich bei den Unternehmen im Ausbau der Mitarbeiterempfehlung.

Wege, um sichtbar zu werden

Neben den bereits genannten Möglichkeiten, mit anderen in Kontakt zu kommen, gibt es noch weitere Gelegenheiten, sich aktiv mit potenziellen Kollegen auszutauschen. Die Businessnetzwerke XING und LinkedIn bieten hierzu einen kommerziellen Anlass.

Auch private Netzwerke haben die Öffentlichkeit im beruflichen Umfeld erkannt und ermöglichen den entsprechenden Service. Wirkungsvoller als diese Angebote einen guten Eindruck zu hinterlassen und neue Kontakte zu erschließen, ergeben sich jedoch aus der Teilnahme an neuen Veranstaltungsformaten. So erleben Barcamps, Hackathons, offene Werkstätten und andere Lernorte mehr Bedeutung für ein nachhaltiges Kennenlernen. Wie tief diese Kontakte sind und ob wir diese bereits Beziehung im Sinne von eng miteinander verbunden nennen müssen, steht nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, bekannt zu werden. Der Trend vom Do-it-yourself hin zum Do-it-with-others ist dabei ein zeitgemäßer Weg.

 

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Sind Bewerbungsanschreiben noch zeitgemäß?

Nein und dennoch Ja. Hört der Bewerber auf die große Phalanx der Personal-Recruiter, so wird er von dieser Seite eher ein klares Nein hören. Recruiter sind auf der Suche nach Erfahrungen und  Belegen dafür, was ein Bewerber zu leisten vermag. Diese Fakten finden sich jedoch nicht hinter schönen Floskeln. Dafür eignen sich klare Profile besser.

Auch der Lebenslauf sollte diesbezüglich aussagefähig sein und durch entsprechende Zeugnisse gestützt werden. In Zeiten der Bewerbungsportale und der direkten Bewerbung auf Online-Jobangebote ist Schnelligkeit gefragt und weniger die prosaische Arbeit an ausgefeilten Anschreiben. Daher geht eine klare Empfehlung an den Bewerber von heute, ein berufliches Profil von sich, in einem oder mehreren Jobnetzwerken oder den Stellenbörsen zugänglich zu machen, um bei Interesse an einem Jobwechsel schnell reagieren zu können.

Je aussagefähiger dieses Profil ist und je passgenauer dieses, in den Augen der Recruiter, für die zu besetzende Stelle ist, desto schneller ist das Ziel erreicht, die Hürde Vorstellungsgespräch zu nehmen. Spätestens zu diesem Termin sollten die kompletten Bewerbungsunterlagen vorliegen.

Bei der Wertung, was eine komplette Bewerbung ausmacht, hat das Bewerbungsanschreiben nach wie vor seinen Stellenwert und fließt in die Gesamtbeurteilung eines Bewerbers mit ein. Es ist somit ein Zünglein an der Waage und kann, je nach Überzeugungskraft, den Ausschlag in die eine oder andere Richtung geben. Hier setzt aber auch die Kritik an der Aussagekraft von Bewerbungsanschreiben als Personalauswahlinstrument ein. Da es für die wenigsten Bewerber bei der beruflichen Aufgabenstellung darauf ankommt, sich werblich zu präsentieren und dazu perfekte Anschreiben zu kreieren, nutzen diese das große Heer der Karriereberater, mit deren eigens dafür ausgebildeten, professionellen Textern.

Damit stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber. Die Personal-Recruiter kritisieren, dass es sich bei professionellen Bewerbungsanschreiben um keine authentische Leistung des Bewerbers handelt und diese somit als Personal-auswahlinstrument ausscheiden. Dagegen kontern die Bewerbungshelfer, dass sie mit ihrer Dienstleistung erst zur Chancengleichheit beitragen. Denn unbestreitbar ist, dass ein unprofessionelles Anschreiben eher als Schatten auf der Bewerbung liegt und damit den Gesamteindruck belastet.

Fazit ist, dass das Bewerbungsanschreiben nicht automatisch die Eintrittskarte zum Vorstellungsgespräch bedeutet, aber bei der Gesamtbeurteilung eines Bewerbers nach wie vor gewertet wird. Daher ist es unabdingbar, dass dieses Anschreiben stilistisch und inhaltlich treffend formuliert wird. Sollte dies nicht als Eigenleistung erbracht werden können, ist es nicht verwerflich sich hierbei fremder Hilfe zu bedienen. Durch die Fremdhilfe wird das Bewerbungsanschreiben nicht per se zu einer Mogelpackung, denn für die Entscheidung zugunsten eines Bewerbers, zählen weiterhin die Kompetenzen  und der persönliche Eindruck, den dieser im weiteren Auswahlverfahren hinterlässt.